In der Presse

SPIEGEL ONLINE, Dienstag, 09.10.2018 –  Ich bin viele. Frauenstimmen aus Georgien. Aus dem Georgischen übersetzt von Irma Shiolashvili. Nachgedichtet von Sabine Schiffner. Kaukasische Bibliothek. Hrsg. Uli Rothfuss und Traian Pop. Band 24. Lyrik, 104 Seiten, ISBN 978-3-86356-230-4; € [D]16,50

Mit-Herausgeberin Irma Schiolaschwili

Pop Verlag

Mit-Herausgeberin Irma Schiolaschwili

„Wir sind als Mädchen geboren. Das wollten wir nicht, aber wir waren auch nicht dagegen, weil wir keine Ahnung hatten.“ Lieben georgische Gedichte das „Ich“? Und wird solche „Ich-Lyrik“ autobiografisch gelesen – oder auch als Spiel mit Rollen, Alter Egos, Zuschreibungen? Auf unter 100 Seiten rufen zwölf Lyrikerinnen zwischen Anfang 30 und Anfang 60 115 Mal „ich“, 30 Mal „Liebe“, 16 Mal „Herz“, 32 Mal „Mädchen“, 35 Mal „Mutter“, achtmal „Brust“. Fast alles klingt nach Poetry-Slam und Tagebuch: privat, klar, dringlich, schlicht.

Eine literarische Tradition? Oder Eigenart der „Nachdichterin“ Sabine Schiffner? Auf Deutsch, erklärt Lyriker Norbert Hummelt, dominieren „sinngemäße Wort-für-Wort-Wiedergaben, die von georgischen Übersetzern angefertigt werden. Mit diesen Vorlagen arbeiten deutschsprachige Lyriker und entwerfen aus ihrem eigenen Sprachgefühl, wie dieser oder jener georgische Dichter auf Deutsch klingen könnte.“ Ist Schiffner, die auch im Größenwahn-Verlag den Band „Georgiens Herz“ (33 Dichterinnen und Dichterinnen, 160 Seiten) nachdichtete, verantwortlich, dass alle Texte Wucht, Rhythmus haben – doch kaum Vokabular, komplexer als „Herz“ und „Schmerz“?

Das ist keine rhetorische Frage. Aktuelle US-Lyrik nimmt Lesbarkeit, klare Ich-Positionierungen oft wichtiger als Sprachexperimente. „Es ist wohl schon so“, schreibt Schiffner im Nachwort, „dass diese Dichterinnen das Genderthema deshalb so oft und intensiv aufgreifen, weil in ihrem Land noch viel weniger als hierzulande eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau herrscht. Umso erstaunlicher ist es, wie offenherzig und schonungslos da gedichtet wird, das eigene Ich wird manchmal nackt ausgestellt und ein Blatt selten vor den Mund genommen.“ Das macht die Stimmen hörens-, lesenswert. Dennoch klingen sie auf Deutsch verdächtig gleich. Verdächtig schlicht.

Herausgegeben von Manana Tandaschwili und Irma Schiolaschwili:
Ich bin viele. Frauenstimmen aus Georgien

Lyrik-Anthologie

Aus dem Georgischen von Irma Schiolaschwili, nachgedichtet von Sabine Schiffner

Pop Verlag; 104 Seiten; 16,50 Euro

03.10.2018 Siebenbürghische Zeitung. „Und wir können nicht bleiben“: Hommage an den Banater Schriftsteller Richard Wagner

Zum 65. Geburtstag von Richard Wagner entstand die Idee, ihm jeweils einen Satz zu schreiben und diese in der Zeitschrift Spiegelungen zu veröffentlichen. Freunde, Weggefährten, Bekannte beteiligten sich daran. Doch da damit nicht alles gesagt war, entschieden sich Horst Samson und Anton Sterbling im Nachhinein, als Ergänzung und Fortsetzung den Band „,Die Sprache, die auf das Nichts folgt, die kennen wir nicht‘. Sätze und Texte für Richard Wagner“ im Pop Verlag herauszugeben. Dieser vereint nun im ersten Teil die besagten Gratulationssätze, die von lakonischen Aussagen bis zu spannungsgeladenen ausufernden Satzgefügen reichen, allesamt eine Hommage an den mittlerweile schwer erkrankten Schriftsteller.

Schon der Titel des Bandes steht unter dem Zeichen des Nichts, versucht aber dieses noch sprachlich zu verankern. Er stammt aus einem Interview des Schriftstellers mit Christina Rossi und zeigt einmal mehr, dass sich Richard Wagner in die Sprache rettet und seiner Krankheit einiges abtrotzt. „Und wir können nicht/ bleiben“ schreibt er auch in seinem „Gedicht“: „Wir, ja, wir, mit den selbsterzogenen Gefühlen,/ gehen hin, redend, ins Nichts.“ Wagner hatte zusammen mit Horst Samson für den Band dreizehn Gedichte ausgewählt, daraus besteht der zweite Teil. Einerseits sind es frühe Gedichte, die sich mit den rumänischen Verhältnissen befassen, andererseits späte. Der Tod ist dabei ein ständiger Begleiter, sei es im späten Gedicht „Die Körper“, wo diese unberührbar sind und „uns freundlich entgegenkommen/ Aus dem Nichts von nebenan“, sei es im Gedicht „Seeanemone“ aus den 1980er Jahren, in dem die eigene Vergänglichkeit zur Sprache kommt: „Ich sehe/ und sehe nicht/ ich vergehe und sehe/ und vergehe, vergehe nicht,/ Seeanemone.“ Hilfreich wäre dabei eine editorische Notiz mit den Erscheinungs- und Entstehungsjahren gewesen.

Als Aufklärer von Securitate-Verstrickungen nimmt ...Als Aufklärer von Securitate-Verstrickungen nimmt Richard Wagner auch persönliche Einbußen in Kauf, hier als Angeklagter in einem Securitate-Prozess beim Landgericht München im Januar 2011. Foto: Konrad Klein Der dritte Teil vereint Gedichte von Freunden und Bekannten mit losem beziehungsweise engerem Bezug zu Wagner. Es sind Gedichte von Temeswar, aus eigenen Büchern, von Reisen bei Ilse Hehn. Ein Schmankerl ist das verschollen geglaubte Poem „Periamportbewusstsein. In memoriam August 1974“ von Werner Kremm, das die Akteure der Aktionsgruppe Banat in ihren Jugendjahren vor uns erstehen lässt: „willi schluckt seine beruhigungspillen“, „das gebirgsmandl rolf“, „richard trinkt bitter“. Ironischerweise wurde der Text aus der Kopie der Securitate-Akten von William Totok rekonstruiert und dient somit im Nachhinein der Literatur. Johann Lippet präsentiert ein wundervoll aus Selbstzeugnissen Wagners zusammengebasteltes Gedicht, das den „leitartikelschnee“, den „lokalschnee“ und den „feuilletonschnee“ streift und über ein „gefühl der fremdheit beim betrachten von ansichtskarten“ und dem „knacken in den sätzen“ spricht. Dabei sind die Wörter schwarze Maulbeeren, die das Gesicht verändern, und das Haus steht darin, im Schlaf.

Traian Pop, der Verleger und Autor, veröffentlicht Gedichte aus seinem neu­en Buch „Absolute Macht“, Horst Samson beschreibt unter anderem Richard Wagners Zimmer: „viele leere flaschen und konservenbüchsen /zwiebeln kürbiskerne und akzente/ ein schutthaufen zeitungen“. Hellmut Seiler ist mit Gedichten, Aphorismen und Texten vertreten.

Zwischen Kafka und Science Fiction spielt die Satire von Gerhard Ortinau, die die Wichtigkeit des Banats auf die Schippe nimmt. Surreal und satirisch klingt auch der Prosatext von Anton Sterbling, der die Aktionsgruppe nicht immer so glücklich mit den Menschenschlangen der Flüchtlingskrise verbindet. Der fünfte Teil leuchtet mit mehreren Essays von Gerhardt Csejka, Walter Engel, Rudolf Herbert, Franz Heinz und Stefan Sienerth ungeahnte Facetten des Autors aus. Georg Aescht bezieht sich auf die spezielle Situation in Rumänien, dem Land, dem man verhaftet war. Peter Motzan schreibt über die Minderheitenliteratur und Wolfgang Dahmen ana­lysiert drei romanistische Gedichte. Ein bisschen verwundert der kunstgeschichtliche Beitrag von Ingo Langner, weil der Bezug nicht so offensichtlich ist. Walter Andreas Kirchner rundet den Band mit Malereien und Grafiken ab.

Insgesamt ist das Buch eine willkommene Sammlung, die an die verschiedenen Lebensetappen des interessanten Autors erinnert, der uns bis heute überrascht und sei es nur, wenn er völlig gelassen über das langsame Eingehen ins Sprachlose schreibt.

Edith Ottschofski

Horst Samson und Anton Sterbling (Hrsg.): „Die Sprache, die auf das Nichts folgt, die kennen wir nicht“. Sätze und Texte für Richard Wagner. Mit Grafiken und Malereien von Walter Andreas Kirchner. Ludwigsburg, Pop Verlag, 2018, 318 Seiten, 23 Euro, ISBN 978-3-86356-174-1.

02.06.2018. Siebenbürgische Zeitung. Vielfältig, dicht und sprachlich raffiniert: Eginald Schlattners neues Buch „Wasserzeichen“

Es ist das vierte große Buch aus der Feder von Eginald Schlattner – nach seinen erfolgreichen und zum Teil verfilmten, auch in anderen Sprachen erschienenen Romanen „Der geköpfte Hahn“, „Rote Handschuhe“ und „Das Klavier im Nebel“. „Wasserzeichen“ – ein großes Werk, das vom Autor nicht als Roman bezeichnet wird. Stattdessen und ostentativ steht schon auf der ersten Textseite das Wort „MIR“. Das Buch entpuppt sich beim Lesen immer wieder als Autobiographie, obwohl es zugleich nur bedingt eine Selbstdarstellung ist. Zu vielfältig und ungemein wort- und ideenreich sind die narrativen Darstellungen des mit über 600 Seiten äußerst voluminösen Werks.

Der Buchtitel „Wasserzeichen“ birgt „so manches, macht einiges sichtbar, enthält Verhüllung, das Verschleierte einerseits, anderseits wird manches sichtbar“, so der Autor in einem kürzlich erschienenen Interview. Handlungsorte sind das Kronstadt (damals Stalinstadt) der 1950er Jahre, die Noa, ein ehemaliges Villenviertel reicher Kronstädter, Fogarasch, wo Schlattners Jugend stattgefunden hat, Klausenburg, Hermannstadt und andere mehr, alle in Siebenbürgen. Der Leser wird auch in Dörfer des Burzenlandes mitgenommen und natürlich – besonders am Ende des Buches – nach Rothberg, in das dortige Pfarrhaus und die Kirche, aber auch in die Zigeunerhütten am Bach. Rothberg – ein Ort, in dem Schlattner viele lang Jahre Pfarrer war. Großartig beschrieben werden auch Berge und Bergtouren wie die Besteigung des Krähensteins (Ciucaş).

Und die Menschen in diesem Werk? Es sind in erster Linie Mitglieder seiner Familie, die oft weit gefächert und verzweigt betrachtet wird, aber auch seine Kronstädter Schulfreunde. Wie in seinen anderen Romanen verfremdet er deren Namen zum Teil, was eigentlich nur für wenige Kenner jener Zeiten von Interesse sein kann. Ins Zentrum stellt er allerdings immer wieder, und das oft mit Verve und Leidenschaft, die weiblichen Personen seines Umfeldes, beginnend mit Großmutter und Mutter, dann seine früh bei einem Motorradunfall aus dem Leben geschiedene Schwester bis zu seiner inzwischen verstorbenen Ehegattin, seiner Susanna Dorothea. Auch wenn die Beziehungen zu den gleichaltrigen weiblichen Personen bunt und bilderreich gebracht werden, entstammt einiges davon sicher dem Bereich der Fantasie, wird bisweilen skurril und bizarr dargestellt. Es sind dieses menschlich einmalig schöne, stark emotional gezeichnete Beziehungen, u.a. zu Schlattners Jugendfreundin, die jüdischer Abstammung ist.z ... Zu vielfältig und dicht sind die Texte Schlattners, um sie hier zu erläutern: das Leben im Kommunismus, auch die Rolle der zwei Schulleiter des Honterusgymnasiums – er nennt sie mit richtigem Namen –, dann seine Begegnungen mit der Securitate. Auch die Zustände auf Baustellen – Schlattner war selbst einige Jahre auf diesen tätig – kommen zur Sprache. Die Schilderung von Stimmungen gelingt ihm meisterhaft, und raffiniert ist das Spiel mit der Sprache, z.B. bei den Namen der Schwestern Awemaria und Evamaria oder dem Begriff „der botanische Stalin“ bei der Nennung des Namenzuges dieses Diktators, der jahrelang, in Tannenbäumchen gepflanzt, den Zinnenwald in Kronstadt „zierte“.

Aspekte des Glaubens und der Theologie, die Einsicht in Schlattners theologische Vorstellungen offenbaren, durchziehen das Buch wie ein roter Faden – besonders markant die Schilderung seines Aufenthaltes in einem orthodoxen Frauenkloster, in dem er das Manuskript dieses Buches geschrieben hat. Er spricht von seinem Leiden in den Kellern der Securitate, von seiner „befohlenen Mission“ und wie ihn jahrzehntelang die „blaue Katze im Nacken“, also die Schuldfrage, beschäftigte. Am Ende kommt ihm aber die „Gnade der ­Erleuchtung“ und Schlattner kann sich von der fiktionalen Katze befreien. Er schildert sein Leben mit den Romakindern von Rothberg, die als Nachfolger der ausgewanderten Sachsen seines Dorfes gegenseitige Liebe und Zuneigung in ganz neuen Formen des menschlichen Miteinanders erfahren.

„Wasserzeichen“ ist ein Buch, das – Schlattner offenbart es – auch die Germanistin Dr. Edith Konradt und die Chemnitzerin Tamara Ambros in seine nun erschienene Form gebracht haben; ein Buch, das allen zu empfehlen ist, denen die nahe Vergangenheit Siebenbürgens und seine Menschen am Herzen liegen und die – nicht zu vergessen – Freude an anspruchsvoller Sprache haben.

Hansgeorg v. Killyen

Eginald Schlattner: „Wasserzeichen“. Pop Verlag, Ludwigsburg, 2018, 625 Seiten, 29,00 Euro, ISBN: 978-3-86356-216-8

Im Land der verletzten Erinnerungen

Der Pfarrer und Autor Eginald Schlattner hat unser Bild vom Leben der Siebenbürger Sachsen in finsteren Zeiten geprägt wie kein Zweiter. Nun erscheint sein Lebensroman „Wasserzeichen“. Weiter lesen –>

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.06.2018

Rezensent Elmar Schenkel entdeckt ein Vielerlei in Eginald Schlattners „Lebensroman“. Ob es um das Verhältnis des Autors zum Glauben geht, zur russischen Orthodoxie, zum Klosterleben, um seine Erinnerungen an den Nationalsozialismus, dann den Sozialismus in Rumänien, oder um das Hadern mit sich selbst, um die Siebenbürger Landschaft oder das eigene Liebensleben, immer trifft der Rezensent auf Unkonventionelles, auch sprachlich, wenn der Autor poetische Wendungen vollzieht. Schlattners poetisches und historisches Bild Siebenbürgens bleibt Schenkel im Gedächtnis. Eine Lebensbeichte, meint er, die als Vertiefung und Erläuterung von Schlattners Romanen gelesen werden kann.

Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Ausgabe Nr. 2573

Posted on „Tränen flossen in vielen Sprachen”

Eginald Schlattners neues Buch trägt den Titel „Wasserzeichen“Ausgabe Nr. 2573

Nach drei erfolgreichen Romanen – „Der geköpfte Hahn“, „Rote Handschuhe“ und „Das Klavier im Nebel“ -, die ihm internationale Anerkennung gebracht haben, wollte Eginald Schlattner eigentlich nichts mehr schreiben und sich – laut eigener Aussage – letzten Dingen widmen: dem Ewigen Leben und der Höheren Mathematik.

Anno Domini, 2018, Deutschland, Leipziger Buchmesse: Das neue Buch Eginald Schlattners  – „Wasserzeichen” – wird vom Ludwigsburger Pop-Verlag vorgestellt. Nach fast 13 Jahren erscheint damit auch der Schlussstein der Schlattnerschen literarischen Tätigkeit; es ist ein Buch, das die schlichte Widmung „MIR“ trägt.

Das Werk, an dem über zehn Jahre herummodelliert wurde, lässt sich als Ergebnis sehen. Der Titel des Bandes hat eine erhebliche Geschichte hinter sich, denn bis der endgültige Titel festgelegt wurde, gab es noch drei verschiedene Varianten: „Die 7Sommer meiner Mutter. Ersonnene Chronik“, „Die Stacheln der Kastanie“ und „Bruchstriche“, wobei der letztere eher der Biografie Schlattners entsprochen hätte. Doch der Autor entschied sich letztendlich für „Wasserzeichen“.

Hierzu eine Erklärung aus einem im Januar auf dem Rothberger Pfarrhof durchgeführten Interview: „Das, was durch dieses Wort bezeichnet wird, versteckt vieles und macht manches sichtbar, je nachdem. Es birgt in sich das Verhüllte, das Verschleierte einerseits und gleichzeitig das Durchscheinende. Wobei das, was durchschimmert, durchleuchtet, wiederum von der Optik her in verschiedenen Deutungsvarianten aufscheint. Beides ist gegeben: Das Verhohlene und das Durchsichtige, das Verborgene und das Ersichtliche“.

Das Buch enthält Erzählungen aus der Zeit zwischen 1950 und 1960, die Schlattner als Rückblenden während seiner Klausuren im Nonnenkloster „Sf. Spiridon“ bei Bistritz aufgezeichnet hat. „Es gibt Zeitsprünge zwischen der Jetztzeit im Kloster, wo man sich jenseits der vernetzten Welt Erinnerungen hingibt, und andererseits den erinnerten Ereignissen von einst, die man niederschreibt. Das sind zwei Erzählebenen, die Edith Konradt reinlich auseinanderdividiert hat: Hier Kloster mit dem exotischen Alltag und den liturgischen Höhepunkten, durchkreuzt für den Schreibenden von persönlichen Eingebungen aus beispiellosen Sphären diesem Ort gemäß, ja von Erleuchtungen, die die erinnerten Geschehnisse erheben, überbieten, bitte transzendieren“.

Die Frage nach dem inneren Zusammenhang der Texte stellt sich nun akkut. Da tritt der mündige Leser in Erscheinung; er, der Rezipient, muss die für sich passende Botschaft selbst entdecken. Der Leser sollte dieser Aufgabe gerecht werden und den Inhalt vom Titel her in Bezug auf sich deuten.  Das, was man als disparate Geschichten wahrnimmt, „wird in der Rückschau im Kloster nicht nur getreu erinnert, sondern in der Ausschau auf die Wirklichkeit Gottes hin transzendiert, überschritten, überboten und somit vereinigt und abgeschlossen“.

In diesem Werk erscheinen sowohl Figuren aus den Vorgängerromanen als auch neue Gestalten, die einer „gewussten Wirklichkeit“ einzuordnen sind. Jedoch wird die  Dimension der „gewussten Wirklichkeit“ meiner Beobachtung zu Folge mit einer neuen Dimension ergänzt, und zwar geht es um die „erlebte, gelebte Wirklichkeit“ des erwiesenermaßen Tatsächlichen.

Was auffällt, anders als bisher: Neben der kraftvollen  Schilderung von erlebten Begebenheiten gibt es nunmehr Passagen geistlicher Reflexion im Umkreis  allumfassender Lebensfragen.

Das Buch hat einen betont theologischen Hintergrund, nicht nur weil der Ort der Niederschrift das Kloster ist. Soweit ich das herausgelesen habe, könnte es um Folgendes gehen: Die Beschäftigung mit Gott und seinem Plan für jeden einzelnen von uns steht im Mittelpunkt von Schlattners Aufmerksamkeit. Der Spruch über dem Haupteingang der Rothberger Kirche: „Weise mir, Herr, Deinen Weg!“ fasst die obige Aussage zusammen. Der Mensch sollte danach trachten, Gottes Weg zu erkunden und zu erfüllen, denn nur dann kann er im Einklang mit sich selbst und den anderen leben. Das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung unseres irdischen Lebens zwischen Verfehlung und Vergebung.

Der siebenbürgischen Wirklichkeit wird erneut ein Denkmal gesetzt. Es heißt im Buch: „Tränen flossen in vielen Sprachen“ – die triste Realität im Kommunismus wird für die Völkerschaften Siebenbürgens zum gemeinsamen Schicksal. Eginald Schlattner entschärft diese Tatsachen und verdeutlicht durch seine Schrift, dass in den „vierzig Jahren Diktatur nicht nur gelitten, sondern auch gelebt und geliebt worden ist, mit allem was dazu gehört, vom Lachen bis zu Lächerlichkeiten, vom Meer bis zum Gebirge, von rauschenden Festen bis tränenreichen Abschieden. Und das gilt selbst für die zwei Jahre Arrest bei der Securitate in der Zelle 28: Auch dort, ‚am Ort und im Schatten des Todes‘, wie es im Evangelium heißt,  wurde nicht nur gelitten, sondern auch gelacht“.

Im Weiteren werden einige Aspekte aus dem Inhalt herausgegriffen, die die Leser dazu verleiten sollten, aufzuhorchen. In den Geschichten aus den 1950er und 1960er Jahren finden sich vielleicht wenige Aussagen, die einen Identifizierungsprozess der Leserschaft mit dem Geschehen erleichtern würden. Das Subjektive der Erinnerung gewinnt die Oberhand. Andererseits könnten die theologischen Gedankengänge, so von Schuldigwerden und Wiedergutmachung, den Lesenden erreichen. Wie immer, man bleibt bei der Lektüre sich selbst überlassen, muss sich selbst einen Reim auf das Gelesene machen.

Der Text beginnt mit einem Einblick in das Klosterleben, womit eine Parallele zur eigenen Identität ermöglicht wird. Die Eigenpositionierung bestätigt ein tradiertes Modell; die Siebenbürger Sachsen sind evangelisch Augsburger Bekenntnisses, die Rumänen orthodox.

Das sich ergebende Bild des Klosterdaseins vervollständigt sich im Laufe des Buches bis hin zu skurillen Begebenheiten. Der Schwerpunkt liegt jedoch in der Vergegenwärtigung des eigenen Schicksals und dessen Verflechtung mit geschichtlichen Ereignissen. Der Kommunismus, der den Rahmen der Erzählungen bildet, erweist sich sowohl als streckenweise scheinbar freundlich wie auch als menschenverachtend, doch wie immer dauernd zum Fürchten. Der allgegenwärtige Sicherheitsdienst leistet dem Regime blinden Gehorsam und verbreitet Angst und Schrecken. Die Siebenbürger Sachsen – einige einst Sympathisanten des Nationalsozialismus – leben im sich wandelnden Rumänien und müssen nach neuen Wegen zur Erhaltung der Identität suchen. Der Ich-Erzähler konfrontiert sich mit diesem Sachverhalt schon in seiner Jugend, als er eine Beziehung zu Susanne Sara Blau eingeht. Sie ist vom Vater her jüdisch, von der Mutter gut sächsisch und kann sich nach Belieben in die eine oder in die andere Kategorie einordnen lassen. Sie wählt zuerst ihre jüdische Identität, um aber nach einer Fahrradtour durch das sächsische Burzenland wieder zu ihren anderen Wurzeln zu finden. Es bleibt offen, ob sie sich für ihre sächsischen Herkunft entscheidet oder dem Davidsstern verpflichtet bleibt. Die Liebesgeschichte zwischen dem Ich-Erzähler und Susanne Sara wird durch andere zwischenmenschlichen Beziehungen ergänzt. All diese Verbindungen führen zu einem notwendigen Reifungsprozess, der von jedem jungen Menschen erfahren werden muss. Davon hängt eigentlich auch das Überleben in einem menschenverachtenden Regime ab.

Nationalisierung, Verfolgung und Verhaftung sind drei weitere Themen, die zum Gesamtbild des Buches gehören. Der politisch bestellte „Schwarze Kirche“-Prozess wird aufgegriffen und die eigene Verhaftung Schlattners angesprochen.

Der letzte Teil des Buches widmet sich der eigentlichen Gegenwart. Ein Schlusskapitel ist Eginald Schlattners Frau gewidmet: Susanna Dorothea. Der Anfang ihrer Liebesgeschichte wird behutsam preisgegeben.

Zwischendurch folgen weitere, oft auch verschrobene Szenen zum Klosterleben. Doch bleibt das Kloster mit seiner Ikonenwand ein Ort von Schauungen und Erleuchtungen, die Lebenskonflikte in das Licht einer höheren Versöhnung  erheben, wo „Rache der Vergebung“ weicht.

Nach über 600 Seiten Text kann getrost behauptet werden, dass das siebenbürgische Gesamtbild mit einer neuen Dimension ergänzt worden ist. Der Protagonist, durchaus der Autor selbst,  hat den Kommunismus bestanden, selbst wenn er jetzt noch mit den seelischen Folgen zu kämpfen hat. „Wasserzeichen“ versucht die Seele zu reinigen, indem es zu Klärungen von Vergangenem kommt in einem irenischen Sinn.

Andreea DUMITRU

31.12.2016 – Die Rheinplaflz von Hans-Ulrich Fechler –

Ludwigshafen: Kultur Regional. Botschaften der Vergänglichkeit.Der Ludwigshafener Hans-Walter Voigt kombiniert in seinem Buch „Die Ameise wollte mich treffen“ Gedichte und Fotografien

28.12.2016 – Mannheimer Morgen von Julia Wadle

Literatur regional: Lyrikband von Hans-Walter Voigt. Bitte mehr Emotionen!

28. 12. 2016 – Saarbrücken Zeitung (SZ) | von Christoph Schreiner

24. 07. 2016 – Die Tageszeitung Berlin (TAZ) | vonThomas Gerlach

Sorbische Kultur. Der Dichter im Pfützenland.

Benedik Dyrlich ist Lyriker. Er gibt Bücher heraus und scheint manchmal zu verzweifeln, weil die Deutschen keinen sorbischen Schriftsteller kennen…

21.07.2016 – Літературна Україна (Literaturna Ukraina/Kiev/Ukraine) | von Tetjana Dzjuba38. internationales Fest der sorbischen Poesie 2016

19.03.2016 – Dresdner Neueste Nachrichten (DNN) | von Tomas GärtnerKontraste, Unbehagen, Analysen Die Literaturzeitschrift „Matrix“ lässt Autoren das „andere Dresden“ präsentieren

Was ist los da bei euch in Dresden? Viele fern der Stadt wüssten’s gern genauer. Können Schriftsteller, Künstler sie womöglich besser unterrichten als andere, Journalisten zumal? „Matrix“, eine Zeitschrift für Literatur und Kunst, unternimmt den Versuch…

Über Charlotte Ueckert: Je länger die Lektüre dauert, desto mehr erschließt sich der innere Zusammenhang … Alles scheint miteinander verwoben. Immer wieder sind es Menschen, auf deren Spuren sich die Autorin begibt.
(Siegener Zeitung)

Mit dem Gespür für historische Dimensionen und der Lust am scheinbar Unscheinbaren…
(Die Zeit)

„Es genügten ihm seine Empfindungen der Welt gegenüber“ ■ Mit Ralf Rainer Rygulla, dem langjährigen Mitarbeiter von Rolf Dieter Brinkmann, unterhielten sich Gunter Geduldig und Marco Sagurna über den Autor