Reise nach Rothberg. Eginald Schlattner: Werk und Wirken

Reise nach Rothberg. Eginald Schlattner: Werk und Wirken. Reihe Reihe Lesezeichen, Bd. 4 · ISBN 978-3-86356-403-2, 512 Seiten, €[D]29,90

| Eginald Schlattner | Traian Pop Traian | Sigurd Paul Scheichl | Michaela Nowotnick | Edith Konradt | Florian Gassner | Sabine Brandt | Daniela Strigl | Karl-Markus Gauss | Christel Wollmann-Fiedler | Wolfgang Schlott | Elmar Schenkel | Gabriela Sonnenberg | Andreea Dumitru | Christoph Klein | Jürgen Israel | Matthias Buth | Frieder Schuller | Cord Meier-Klodt | Gabriella-Nóra Tar | Radu Carp | William Totok | Rolf L Willaredt | Cord Meier-Klodt | Isabel Rauscher | Barbara Zeizinger | Gert Weisskirchen | Theo Breuer | Horst Samson |

Mit 47 Bilder von Kristian Schuller, KATH Zipser, Konrad Klein, Beatrice Ungar, Michael Neuhaus, Sabine Maya Schlattner, Martin Ohnweiler, Siegfried Landau und Traian Pop

Man liegt sich nicht dauernd in den Armen und fällt sich nicht jeden Tag um den Hals. Aber man achtet jeden in seiner Andersartigkeit von Sprache, Brauch und Glauben. Erst indem der andere dazugehört, bin ich, was ich bin.
Eginald Schlattner

Man sollte das Buch natürlich wie jedes andere von Ihnen von der ersten bis zur letzten Seite lesen, es ist aber auch ein Vergnügen, das Buch gleichsam wie mit einer Daumenprobe irgendwo aufzumachen, auf eine bestimmte Stelle zu zeigen und dann die nächsten zehn oder zwanzig Seiten zu lesen. Man kann überall einsteigen in dieses Werk …
Karl-Markus Gauß

Wenn es erlaubt wäre, die Begriffe Erschütterung und Erheiterung in einem Atemzug zu verschmelzen – Schlattners unterhaltende Belehrung über ein Stück europäischer Menschengeschichte wäre damit charakterisiert.
Sabine Brandt

Wenn es nicht schon spät geworden wäre und der Anstand es geboten hätte, Ihre Herzlichkeit nicht überzustrapazieren, würde ich heute noch bei Ihnen im Bieder­meierfauteuil sitzen!
Isabel Rauscher

Menschen aus dem Westen Europas und von Übersee, nicht nur deutschsprachige, machen sich auf den Weg, nein, pilgern geradezu ins siebenbürgische Rothberg/Roşia bei Hermannstadt/Sibiu zum Pfarrer und Dichter Eginald Schlattner, zum alten Pfarrhof von 1762 und zu einer der ältesten Kirche inmitten der Karpaten, der romanischen Basilika aus dem Jahr 1225 … Auf einem eigenen Planeten lebt der Dichter und Weltbürger, abseits und doch mitten im Weltgeschehen.
Christel Wollmann-Fiedler

Lieferbare Titel von Eginald Schlattner:

Adrian Sângeorzan, Zwischen zwei Welten

Adrian Sângeorzan, Zwischen zwei Welten. Geschichten eines Frauenarztes. Aus dem Rumänischen übertragen und mit Anmerkungen versehen von Michael Astner. Kartoniert. Mit Schutzumschlag (bedruckt). Reihe Epik Bd. 134. 417 S., ISBN 978-3-86356-358-5, €[D]25,00

Adrian Sângeorzan, geb. 1954 in Bistriţa/Bistritz, Rumänien, emigrierte 1990 in die USA und lebt in New York, wo er als Facharzt für Geburtshilfe und Gynäkologie tätig ist. Er ist Lyriker, Prosa- schriftsteller, Essayist und Publizist.

Der Frauenarzt Adrian Sângeorzan ist ein Experte im Entbinden und im Zur-Welt- Bringen von Babys und zeigt, dass er auch als Autor eines spannenden Buches einer ist, bloß bringt er diesmal sich selbst zur Welt – als fertig gereiften Erzähler. Ein Buch voller Erfahrungen, die mit dem Skalpell in der Hand und mit Groß- zügigkeit im Herzen erlebt werden, ganz zu schweigen vom gesamten Gefolge widersprüchlicher Gefühle – von Panik bis Freude, von Frust bis Glück, alles in einem überall schmerzhaft existenziellen Beruf, ob er nun im kommunistischen Rumänien oder im liberalen New York ausgeübt wird. Sângeorzan ist eine Art Papillon im weißen Kittel. Wenn seine unwiederholbaren Erlebnisse, die ihm bei seiner Flucht aus der totalitären in die freie Welt zuteil wurden, ein historisches Dokument in literarischem Kleid darstellen, so sind alle anderen Erlebnisse aus dem intimsten Winkel des weiblichen Universums mit Sicherheit ein bewegendes, zeit- loses Dokument der menschlichen Existenz.

Eugen Şerbănescu

Alle Bemühungen der Ärzte, die den Eid des Hippokrates nicht hintergangen haben, befinden sich hier, in Sângeorzans Buch. Isolierte – und schreckliche! – Ereignisse ziehen den Leser in ihren Bann, und dies umso mehr, als der Autor dieselben nicht bloß aus der Perspektive eines in Rumänien Lebenden betrachtet, sondern auch mit dem Mehrwert dessen, der in Amerika wiedergeboren wurde. (…)
Adrian Sângeorzans Eigenschaft als Zeuge und Protagonist ist eine qualitativ äußerst wertvolle. Sprechen wir von Literatur? Ein absolut spannendes Buch … Und wenn es ums Leben geht – was für ein Leben!
Dumitru Radu Popa

Lieferbare Titel von Adrian Sângeorzan:

Dietfried Zink, Der leise Suchton des kreisenden Vogels

Dietfried Zink, Der leise Suchton des kreisenden Vogels. Gedichte. Reihe Lyrik, Band 1826, 137 Seiten, ISBN 978-3-86356-376-9, € [D]16,50

Mir will scheinen, dass Dietfried Zink ein exemplarischer Fall für ein siebenbürgisches Dichterdasein im ausgehenden 20. Jahrhundert darstellt. Auf der engen deutschen Sprachinsel Rumäniens war Dichten ein Befreiungsakt – sowohl künstlerisch als auch gesellschaftlich. Man konstituierte durch Schreiben seine Identität. Der Identitätsanker waren die deutsche Sprache und die alten wie neuen Regeln der literarischen Formgebung in dieser Sprache. Es ist geradezu paradigmatisch, dass Dietfried Zink Germanistik studierte und Deutschlehrer wurde. Das war für ihn und viele andere der Königsweg zum literarischen Schaffen. Nicht alle Deutschlehrer waren Dichter, aber die meisten Dichter waren Deutschlehrer. Nirgendwo war man besser in einer sicheren Heimat aufgehoben als eben in der Sprachheimat.
Walter Fromm

Die vorliegende Lyriksamm- lung enthält eine Zusammen- stellung von Gedichten aus allen Schaffensperioden. Der Titel des Bandes ist eine metaphorisch-programmati-
sche Überhöhung des Inhalts und stammt aus einem der Gedichte: Der leise Suchton des kreisenden Vogels. (Du, S. 84) Die schmale Auswahl um- fasst wohl um die sechs Jahr- zehnte poetischer Artikula- tionsversuche. Achtzig Gedichte / Leben in Jahren und Wort / Langsam fließt der Fluss – so das Motto des Gedichtbandes von Dagmar Dusil. Es ist die Zusammenfassung dessen, was Dietfried Zink eigentlich aus- macht: beharrliches Anschrei- ben gegen die Vergänglichkeit!

Lieferbare Titel von Dietfried Zink:

Eginald Schlattner: Brunnentore

Eginald Schlattner: Brunnentore. Roman. Reihe Epik Bd. 138. 320 S., ISBN  978-3-86356-399-8, €[D]25,00

Im äußersten Winkel des Obstgartens lag ein Wasserloch, das nie austrocknete, dessen Gewässer nicht überflossen. Der Großvater nannte es „blinden Brunnen“, der Vater „Tümpel“, die Mutter mit leisem Zungenschlag „Weiher“. Für uns Buben war es das Brunnentor in rätselhafte Gründe. Mein kleiner Bruder hatte den Namen ausgebrütet: Brunnentor. Jener runde Teich war beschirmt von Erlen und Eschen. Und war umrahmt von Dotterblumen. Von denen die Bardócz néni behauptete, sie schützten vor Gespenstern und Kobolden. Vielleicht wären sie sogar nützlich gegen Hexen. Dabei schmeckten sie nur bitter.

Früheste Erinnerungen, die herbeigaukeln und geschuldet sind dem vergrübelten Spürsinn eines Buben. Mir. Der ich noch nicht lesen und schreiben konnte. Doch bereits Ungarisch sprach, damals, dort, als wir wenige Jahre im Szeklerland lebten, in Szentkeresztbánya.

Vermutlich war es so, wie ich es niederschreibe. Doch denkbar: einiges anders. Aus den zerfransten Bildern der Vergangenheit schälen sich Begebenheiten, die Profil und Kontur begehren als das Erzählbare. Das alles, so und anders, war überdacht von einer Zeit, die den Jahren viel „Unordnung und frühes Leid“ bescherte, damals am Brunnentor der Kindheit …

Eginald Schlattners Romane, die in ihrer Gesamtheit nahezu ein Jahrhundertpanorama der deutschen Ethnie in Rumänien aufrollen, sind – ausgenommen Das Klavier im Nebel – alle autofiktional gehalten. So auch das vorliegende Buch mit dem änigmatischen Titel Brunnentore. Hier verhandelt der Autor seine Kindheit, die er im Vorschulalter in einer ungarisch geprägten Region von Siebenbürgen, im sogenannten Szeklerland, verbracht hat, wo viele Weichen für sein späteres Welt- und Menschenbild gestellt wurden. Eltern, Großfamilie und Freunde, Verwandte und Nachbarn, Arbeiter und Beamte der lokalen Eisenwerke, Dienstboten, Gassenjungen und angehimmelte Mädchen sowie vor allem der zweieinhalb Jahre jüngere Bruder Kurtfelix bevölkern und beleben den bunten Alltag, den der Autor anhand von Erinnerungen und Familienfotos nachzeichnet und literarisch gestaltet. Bestechend ist dabei die kindliche Optik des Ich-Erzählers, der nicht nur sein unmittelbares Umfeld in Szentkeresztbánya oder zu Besuch bei den Großeltern in Hermannstadt beziehungsweise auf Sommerfrische bei den Großtanten in Freck, sondern letztlich auch die historischen Brüche und Umbrüche jener Zeit anders wahrnimmt als die Erwachsenen, etwa wenn es um die staatliche Zugehörigkeit Transsilvaniens oder den aufkommenden Nationalsozialismus geht, und mit seinen naiven Beobachtungen und Fragen das politische Geschehen ad absurdum führt. Zeitlich nämlich fällt die Handlung in die späten 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts und endet mit dem Wiener Schiedsspruch 1940, als Nordsiebenbürgen von dem Territorium des Königreichs Rumänien abgetrennt und Reichsungarn angegliedert wurde und die Eltern, die für Rumänien optiert hatten, mit den Kindern nach Kronstadt in Südsiebenbürgen zogen. Damit schließt Brunnentore die letzte autofiktionale „Lücke“, da Eginald Schlattner – nach den Romanen Der geköpfte Hahn, Rote Handschuhe, Wasserzeichen, Drachenköpfe und Schattenspiele toter Mädchen – nun laut eigenem Bekunden seine komplette Vita in Prosa gegossen und literarisch abgeschlossen hat.

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Eginald Schlattner: Schattenspiele toter Mädchen.

Eginald Schlattner: Schattenspiele toter Mädchen. Roman. Reihe Epik Bd. 128. 401 S., ISBN  978-3-86356-360-8, €[D]29,00

„Jetzt, im hohen Alter, befällt mich eine nahezu verstiegene Sehnsucht nach Menschenkindern, die nicht mehr sind. Nach den Mädchen, die einst begreifbar waren bis in die Fingerspitzen der Seele und durch ihren Tod unbegreiflich geworden sind … Ich lerne, die regungslosen Erinnerungen zu erwecken, die abgebrochenen Geschehnisse weiterzuführen. Es gelingt, verblichene Gestalten wachzurufen, so dass ihre Gegenwart weh tut zwischen Gedächtnis und Phantasie.“

Denke ich heute zurück, während ich das Einstige beschwöre: Da- mals, in den jungen Jahren – mein Gott, wie denn auch? –, hatte noch kein totes Mädchen das Gemüt verstört. Aber Rainer Maria Rilke berührte zu früher Stunde unser Gemüt, wenn noch nicht als Schlußstück: „Der Tod ist groß. / Wir sind die Seinen / lachenden Munds. / Wenn wir uns mitten im Leben meinen, / wagt er zu wei-
nen / mitten in uns.“

Es fällt mir auf: Erzählt wird manches, was schon früher festgeschrieben ist. Dieselben Namen spazieren durch die verschiedenen Bücher.
Weshalb ich auf bereits Bekanntes zurückgreife? Der Gedächtnis- roman. Im Gegensatz zum Erin- nerungsroman.
Denkbar so: Da wäre die Omni- präsenz meiner Biografie in allem, was ich schreibe. Die Biografie, die sich bei aller Modellierbarkeit des Textes an Fixpunkte halten muss. Doch jedes Mal neu ist der Kontext.
Die Frage, die den Schreibenden wie die Lesenden immer wieder umtreibt: Was ist ersonnen, was ist Tatsache in dem Text? Wann und wo und wie decken sich Erdichtetes und Erinnerung? Die lila Maske vor dem Gesicht: durchscheinend? Ich meine, dass es in jeder Geschichte einen Angelpunkt geben muss, wo sich erinnerte Wahrheit und wahre Geschichte in den Armen liegen.
Zu bedenken wäre: „Tief ist der Brunnen der Vergangenheit!“

Und als Nächstes: Warum diese Geschichte zu später Lebensstun-
de? Warum jetzt, was seit Langem in der Luft lag als klagendes Gedächtnis: die toten Mädchen vor der Zeit, vor meiner Zeit. Ja, warum?
Zwei Buben fahren mit den Rädern von einem Dorf ins andere. Eine Begebenheit, die Jahrzehnte zurückliegt. Die Fahrt? Eigentlich ein Schüleraufsatz. Der mit der lächerlichen Überschrift Der Hampel- mann begonnen und sich zum makabren Totengeleit geweitet hat.
Denn was mir während des Schrei- bens beklemmend auffällt, ist, dass sich diese Fahrt nicht nur aufrollt als eine Episode entlang der endlosen Baumreihen auf einer Landstraße, sondern dass sie vorbeiführt an Grabsteinen verstummter Namen – irgendwo, nirgendwo.
Dies Nirgendwo ist im Laufe des Lebens zu einer Zeichenkette angewachsen, besteckt mit nahen Na- men. Die sich verflüchtigten, oft Jahrzehnte ungenannt blieben. Bis sie in einer Todesnachricht wiederkehrten, oft als Fama. Und ich erlebe es in ratloser Wehmut, dass diese elysäischen Wesen einer frühen Entflammtheit bereits tot sind, vor mir tot sind. Während des Schreibens erscheinen immer an- dere Namen von „nicht mehr – nie mehr“. Es gibt kein letztes geliebtes Wesen. Nur vorletzte Geschöpfe der Schattenspiele …

Eginald Schlattner

Lieferbare Titel von Eginald Schlattner: